Inuit, Menschen der Arktis
Die Ureinwohner der Polarregionen werden üblicherweise unter dem traditionellen Begriff Eskimos zusammengefaßt. Diese Bezeichnung bedeutet Rohfleischesser und stammt von den Algonkin- und Cree-Indianern - mit Blick auf die Ernährungsweise der Bewohner der arktischen Gebiete. Selbst bezeichnen sich die nordkanadischen Eskimos jedoch als Inuit (Singularform Inuk), das heißt „Wesen mit Seele“, also beseelte Menschen. Ihren Anfang nahm die Entwicklung dieser Menschengruppe beiderseits der Bering-Straße, vor allem in Alaska. Die Inuit sind eng verwandt mit den Aleuten auf den gleichnamigen Inseln; auch zu den Tschuktschen im Osten Sibiriens bestehen verwandtschaftliche Beziehungen. Zwar zeigen die Inuit ein leicht mongolisches Erscheinungsbild, und die Inuit-Babys weisen bei ihrer Geburt am unteren Ende der Wirbelsäule einen bläulichen sog. Mongolenfleck auf. Ihre detaillierten Rassenmerkmale unterscheiden sich jedoch in wesentlichen Einzelheiten, etwa der Schädel- und Nasenform, von denen der asiatisch-mongolischen und der indianischen Menschen. Anthropologisch bilden die Inuit demnach einen selbständigen arktisch-mongolischen Rassenzweig und sind, was oft fälschlich behauptet wird, keineswegs Indianer.
Das Millionen von Quadratkilometern umfassende Gebiet der Tundren und der eisigen Küsten im Norden des amerikanischen Kontinents, Sibiriens und Grönlands wird von insgesamt nur etwa 100 000 Menschen bewohnt; ihre Sprachen sind eng verwandt. Inuktitut, die Sprache der Menschen, wird vorzugsweise im Territorium Nunavut gesprochen; sprachwissenschaftlich hat man zehn Hauptdialekte herausgefunden. Traditionell verfügten die Inuit über keinerlei Schrift; Inuktitut entwickelte sich in mündlicher Überlieferung.
Erst seit etwa 100 Jahren haben sich zwei Schreibsysteme allmählich durchgesetzt: das 1878 durch den anglikanischen Missionar Edmund J. Peck eingeführte syllabische Schriftzeichensystem und daneben das lateinische Alphabet in phonetischer Schreibweise.
Jagd und Fischfang waren bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein für die Inuit lebensnotwendig. Wenn inzwischen auch die Versorgung mit Nahrungsmitteln aus dem Süden gesichert ist und daher eine unmittelbare Abhängigkeit von in der Arktis selbst vorhandenen Nahrungsquellen nicht mehr besteht, so sind doch das Jagen und Fischen noch immer tief in der Kultur der Inuit verwurzelt.

"Jäger an der Meereseiskante"
Welchen Beruf ein Inuk heute auch immer ausübt und sei er Premierminister des neuen Inuit-Territoriums Nunavut, er wird jede freie Zeit nutzen, jagen zu gehen oder Fische zu fangen. Nach wie vor ist ein guter Jäger in der Gesellschaft hoch angesehen.
Die Jagd auf Robben, vor allem auf Ringelrobben, aber auch auf Walrosse spielt für die Inuit nach wie vor eine bedeutende wirtschaftliche Rolle. Das Fleisch von Meeressäugern dient gleichermaßen der menschlichen Ernährung wie der Fütterung von Schlittenhunden. Die Felle der Robben sind trotz des auch im Norden ausgedehnten Angebots moderner Industrietextilien für die Herstellung von Bekleidungsstücken, in erster Linie von Fäustlingen und Stiefeln, wegen ihrer unübertroffen guten Wärmeeigenschaften für die Inuit praktisch unersetzlich.
Jagdwaffen sind die traditionellen Harpunen und selbstverständlich moderne Gewehre. Beides wissen die Inuit außergewöhnlich geschickt zu handhaben, und als Beobachter ist man immer wieder erstaunt, wie genau die Schützen mit einem einzigen Schuß aus schwankendem Boot den fernen Kopf einer Robbe zu treffen oder ein großes, auf dem Eis liegendes Walroß zu erlegen vermögen.
Quelle: „Land des Großen Bären“ S. 121 – 122